Crans Monatan Forum in Dakhla


WOCHENZEITUNG, Nr 7, 12.02.15

Crans Montana Forum
Ein Diplomat auf Abwegen
Basil Weingartner
Im März will das in der Schweiz gegründete Crans Montana Forum ein Gipfeltreffen in der besetzten Westsahara veranstalten. Das sorgt für Proteste und wirft ein Schlaglicht auf die verschwiegenen Organisatoren der seit fast dreissig Jahren stattfindenden Wirtschaftsgipfel.
Nicht selten beginnt die Geschichte einer zwielichtigen Organisation in den beschaulichen Schweizer Alpen. Vor rund dreissig Jahren gründete ein schweizerisch-französischer Geschäftsmann namens Jean-Paul Carteron im Walliser Kurort Crans-Montana das Crans Montana Forum (CMF). Dieses führt dem Weltwirtschaftsforum (Wef) ähnliche Gipfeltreffen durch; der Fokus liegt in erster Linie auf den Ländern Afrikas und Osteuropas. Mit Slogans wie «Für eine humanere und gerechtere Welt» ist es Carteron gelungen, diesem den Ruf einer verantwortungsvollen Institution zu verpassen.
Was bei den Treffen aber tatsächlich besprochen wird, weiss niemand so genau, wie Nachfragen bei Attac, Erklärung von Bern und Transparency International zeigen. Carteron organisiert seine Veranstaltungen derart diskret, dass die Öffentlichkeit von diesen beinahe keine Notiz nimmt. Doch nun bekommt die humanitäre Fassade Risse. Es ist die fehlende Distanz zur Macht, die den 69-jährigen Carteron ins Zwielicht bringt   – nicht zum ersten Mal.
Schmutzige Geschichten
Es klingt wie ein billiger Agentenfilm: Ein europäischer Prinz engagiert einen US-amerikanischen Journalisten und ehemaligen FBI-Mitarbeiter. Man habe ihn beauftragt, einen Geheimdienst aufzubauen, wird dieser später aussagen. Das Arbeitsverhältnis endet im Streit. Der Angestellte wirft seinem adligen Arbeitgeber vor, ihm einen Teil des Lohns schuldig geblieben zu sein, und verklagt ihn. Im Prozess breitet er genüsslich viele schmutzige Geschichten aus dem Kleinstaat des Prinzen aus. Der Prinz ist der heutige monegassische Fürst Albert, der Angestellte heisst Robert Eringer. In dessen 2009 vorgebrachten Anschuldigungen   – der Wahrheitsgehalt blieb bis heute ungeklärt   – geht es um Vaterschaftsklagen, Vergewaltigungen und korrupte Geschäftspraktiken. Im letztgenannten Kontext wird auch der Name Jean-Paul Carteron genannt.
Eringer behauptete im erwähnten Prozess, Carteron habe sich einst als Interessenvertreter des haitianischen Diktators Jean-Claude Duvalier «die Hände blutig gemacht»; das CMF diene einzig seiner Bereicherung. Die Bitte der WOZ um eine Stellungnahme wird aus Monaco, wo Carteron seit rund zehn Jahren lebt, umgehend mit der Androhung rechtlicher Konsequenzen beantwortet. «Prüfen Sie genau, was Sie schreiben.» Eringer sei ein «Meistersänger», der an «perversem Narzissmus» leide. Die Wahrheit über Carterons «Mission» für Haiti könne man dagegen im CMF-Blog nachlesen.
Nun sind die Aussagen des ehemaligen Krimiautors Eringer tatsächlich mit Vorsicht zu geniessen. Und auch Carterons Schilderungen könnten einem Politthriller entsprungen sein. So beschreibt er etwa, wie er als Zwanzigjähriger den späteren Palästinenserführer Jassir Arafat kennenlernte, der ihn später zum Berater gemacht haben soll: «Ich hatte wenig Erfahrung, aber meine Spontaneität und meine unverbrauchten Ansichten waren für ihn eine grosse Hilfe.» Seither habe er für vierzehn Regierungen gearbeitet, unter anderem in den achtziger Jahren für das haitische Regime. Diese Mission, in deren Rahmen er nach eigenen Angaben Kontakte zu Investoren aus reichen Ländern herstellte, habe er angenommen, um die Entwicklung des Landes zu fördern.
Die Modellstadt
In jener Zeit gründete Jean-Paul Carteron in den Schweizer Alpen das CMF. Doch Crans-Montana ist für das Forum offenbar zu klein geworden. Seit einigen Jahren finden die meisten Gipfel nicht mehr im Wallis, sondern in Genf, Brüssel und Monte-Carlo statt. Oder nun in Dakhla, wo im März der nächste Gipfel anberaumt ist. Dies unter dem Patronat des marokkanischen Königs. Doch die Stadt Dakhla liegt nicht in dessen Hoheitsgebiet, sondern in der von Marokko besetzten Westsahara. Der König möchte dieses Gebiet endgültig seinem Reich einverleiben.
Das Treffen solle einen «moderaten» Beitrag zur Lösung des Westsaharakonflikts bieten, schreibt das CMF in einer knappen Stellungnahme. Doch weder auf der Einladung noch auf der Website des Forums wird der Konflikt erwähnt. «Dakhla, Morocco» wird dort als Stadt an einer «aussergewöhnlichen strategischen Lage» und als «Modell für wirtschaftliche und soziale Entwicklung» bezeichnet. Die Exilregierung der von der marokkanischen Armee vertriebenen Sahrauis nennt das Vorgehen des CMF und Marokkos völkerrechtswidrig. Sie hat einen französischen Anwalt eingeschaltet. Die Afrikanische Union droht mit einem Boykott. Bisher hält das CMF am Tagungsort fest.
Die offizielle Schweiz will mit dem CMF, das seit 2006 nicht mehr im Land domiziliert ist, nichts zu tun haben. Der Medienverantwortliche des Kanton Wallis räumt zwar ein, dass die Anlässe des CMF früher finanzielle Unterstützung des Kantons erhalten hätten, dem sei aber nicht mehr so. Über die Dauer oder Höhe der Unterstützungszahlungen schweigt er sich aus. Gegenüber SP-Ständerätin Liliane Maury Pasquier versicherte Aussenminister Didier Burkhalter am Dienstag, die Schweiz habe keine Verbindungen zum Forum und werde am Anlass in Dakhla nicht teilnehmen. Allerdings waren Bundesräte an den Foren bisher oft und gern gesehene Gäste. Pascal Couchepin ist gar ein «treuer Freund», wie Carteron in seinem Blog schreibt. Auf diesem präsentiert sich der ansonsten medienscheue CMF-Doyen mit unzähligen Politikerinnen und Wirtschaftsvertretern.
Auch Elisabeth Decrey Warner (SP) ist immer wieder auf den Fotos zu sehen. Die ehemalige Genfer Parlamentspräsidentin amtet heute als Direktorin von Geneva Call, einer anerkannten NGO, die sich unter anderem dem Schutz von Zivilpersonen in militärischen Konflikten verschrieben hat. Einer der Schwerpunkte: die Westsahara. Die Fragen nach ihren Auftritten am CMF machen Decrey Warner denn auch hörbar nervös. Sie sei im letzten Jahr angefragt worden, für das vom CMF organisierte Frauenforum eine Gesprächsrunde zu leiten. Ein weiter gehendes Engagement im Forum bestehe aber nicht. Das Vorgehen des CMF bezüglich des Gipfels in Dakhla sei «falsch». «Von ‹Dakhla, Marokko› zu sprechen, ist sogar illegal.»


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